Meine Rede zu Top 1: Bericht der Landesregierung zum aktuellen Stand zur Ausbreitung des Coronavirus am 11.03.2020:
Meine sehr geehrte Frau Präsidentin!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ja, ich stehe hier heute als Abgeordneter aus dem wohl bekanntesten Kreis in Deutschland. Sie alle können sicher sein, dass wir Heinsberger uns diese Bekanntheit nicht ausgesucht und nicht gewünscht haben.
Seit Veilchendienstag ist die Welt in unserem Kreis eine andere. Stand gestern haben wir 396 Infizierte.
Fast jeder bei uns kennt Personen, die sich mit dem Virus infiziert haben oder die in Quarantäne sind bzw. waren.
Seit Karneval ist bei uns kein Kind mehr in die Kindertagesstätte gegangen. Schülerinnen und Schüler bleiben zu Hause. Fast alle Veranstaltungen wurden und sind abgesagt. Verwaltungen waren geschlossen und sind auch jetzt nur teilweise geöffnet.
Das alles, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern bzw. zu verlangsamen.
Auf der anderen Seite ist man im Kreis Heinsberg zusammengerückt. Die Hilfsbereitschaft ist groß. Im Krisenstab der Kreisverwaltung wurde und wird mit ca. 100 Personen Hervorragendes geleistet.
Das Personal in den Krankenhäusern und in den Arztpraxen arbeitet bis an die Grenzen. Auch die Bürgerinnen und Bürger im Kreis versuchen mit der gebotenen Ruhe und Ernsthaftigkeit, die Einschränkungen zu meistern und das Leben zu organisieren. Gerade für Familien und Alleinerziehende ist das eine große Herausforderung.
Als Bürger dieses Kreises, aber auch als Mitglied dieses Parlaments möchte ich allen hierfür meinen großen Dank aussprechen.
Wir sind ein kleiner Kreis. Bei allen Pandemie- oder sonstigen Katastrophenplänen hatte sicher keiner eine Blaupause für die Bewältigung einer solchen Lage in der Schublade. Umso bemerkenswerter ist es, wie gut unser Kreis bislang mit dieser Lage umgegangen ist und weiter versucht, diese Herausforderung zu meistern.
Dies gelingt sicherlich auch durch eine umfassende, transparente und offene Informationspolitik.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat in einer Talkrunde sinngemäß gesagt: Die Bewältigung dieser Lage im Kreis Heinsberg zeigt, welch gut funktionierendes Gemeinwesen unser Land hat, und auf dieses kann man stolz sein. – Ich denke, dies hat er treffend festgestellt.
Das mag der eine oder andere, der heute Eingriffe von oben, aus Berlin oder Düsseldorf, fordert, sicherlich auch einmal bedenken.
Dabei war und ist seit dem Beginn der Krise, die Zusammenarbeit zwischen dem Kreis und der Landesregierung – an erster Stelle natürlich mit dem Gesundheitsministerium – sehr gut.
Ich darf auch im Namen unseres Landrats den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, Herrn Staatssekretär Heller und Herrn Minister Laumann für die Zusammenarbeit und die Unterstützung danken. Wir bedanken uns auch für den Besuch unseres Ministerpräsidenten bei uns in Heinsberg.
Bei aller hervorragenden Arbeit durch die Menschen im Kreis und bei aller Unterstützung der übergeordneten Behörden beschäftigt uns ein gesellschaftliches Problem immer mehr: die Stigmatisierung der Bürgerinnen und Bürger des Kreises Heinsberg. Auch die möchte ich hier ansprechen.
In den sozialen Netzwerken wird uns die Schuld gegeben, dass das rheinische Derby ohne Zuschauer stattfindet. Leute werden in Betrieben nach Hause geschickt, nur weil sie mit Personen aus dem Kreis Heinsberg in Kontakt waren oder hier in den letzten Wochen einmal zu Besuch gewesen sind.
Ganz besonders tragisch ist, dass den Unternehmern und Handwerkern im Kreis die Aufträge gekündigt werden, nur weil sie aus dem Kreis Heinsberg kommen.
Einem jungen Unternehmen aus der Automatisierungsbranche wurden alle Inbetriebnahmen und Verhandlungen zu weiteren Vertragsabschlüssen abgesagt. Für viele Firmen steht bei uns daher sogar schon bis zum Monatsende die Frage der Existenz an.
Aus der Wirtschaftsförderung unseres Kreises hörte ich gestern, man fühle sich zwischenzeitlich wie in Nordkorea. Die Betriebe bei uns leiden nicht in erster Linie aufgrund von Lieferengpässen oder Absagen von Veranstaltungen, sondern nur, weil sie einfach aus dem Kreis Heinsberg kommen. Ich danke dem Ministerpräsidenten noch einmal dafür, dass er hier Unterstützung zugesagt hat.
Aus Sicht einer Region, die vom Virus bislang wie keine andere betroffen ist, ist uns daher die Notwendigkeit der von der Landesregierung getroffenen Maßnahmen vollkommen klar, vielleicht mehr als Menschen in Regionen, die noch nicht in diesem Maße betroffen sind.
Im parlamentarischen Umgang mit solchen Krisen hat der politische Angriffsmodus nichts verloren. Ja, wir müssen auch hier vielleicht um die richtigen Konzepte ringen und – wie Herr Mostofizadeh gesagt hat – einige sachdienliche Hinweise geben, aber – auch dies sei als Hinweis aus dem Kreis Heinsberg gestattet – Parteipolitik hat im Umgang mit dieser Krise nichts verloren.
Ich habe in der letzten Woche die Bundestagsdebatte und die Unterrichtung des Bundestages durch Bundesgesundheitsminister Spahn verfolgt und habe diese Diskussion und das solidarische Verhalten der überwiegenden Anzahl der Oppositionsparteien als sehr wohltuend und eindrucksvoll erlebt. Ich denke, Herr Kutschaty und Herr Neumann hätten sich gerade besser ein Beispiel daran genommen und nicht die anderen Punkte, die sie in der Gesundheitspolitik diskutieren, hier für eine Generalabrechnung genutzt.
Das tut der Sache hier nicht gut.
Herr Kutschaty, wir hätten im Kreis Heinsberg auch gern die Schutzausrüstung genommen, die Sie in Ihrer Regierungszeit angeschafft und bevorratet haben, aber die war nicht vorhanden.
Zum Abschluss möchte ich uns allen noch mit Genehmigung der Präsidentin ein Zitat unseres Landrats mit auf den Weg geben.
Er hat neulich gesagt: Es gibt ein Medikament, das haben wir alle bei uns – Solidarität und Mitmenschlichkeit.
Früher sagte man bei uns in vielen Orten im Heinsberger Land „Glückauf“. Heute verabschieden wir uns mit dem Slogan „HS – be strong“. – In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.