Beschluss der Aachener Erklärung zum Arbeitskräftemangel
Der Engpass an Fachkräften ist eine große Herausforderung für unsere Betriebe im Land. Insbesondere der Mittelstand in der Industrie und im Handwerk ist davon besonders betroffen. Im Rahmen einer zweitägigen Klausurtagung hat die CDU-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen Strategien entwickelt, um Arbeitskräfte für unser Land zu gewinnen.
Aktuell befindet sich Deutschland in besonders herausfordernden Zeiten, deren wirtschaftliche Auswirkungen nicht vollends absehbar sind. Bislang entwickelt sich der Arbeitsmarkt zwar ausgesprochen robust. Gleichwohl verbleiben Unsicherheiten, eine Rezession ist wahrscheinlich.
Unabhängig von der aktuellen Situation bleibt der Engpass an Fachkräften, also an Personen mit einer abgeschlossenen Berufsqualifikation, eine der größten strukturellen Herausforderungen der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Insbesondere der Mittelstand in der Industrie und im Handwerk ist davon besonders betroffen. Die Transformationsprozesse in der Wirtschaft und in der Arbeitswelt benötigen zwingend dual und schulisch ausgebildete Fachkräfte.
Der Fachkräfteengpass hat vielfältige Ursachen. Der demographische Faktor ist ein wesentlicher. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge geht zurück. Jedes Jahr scheiden erheblich mehr Arbeitskräfte aus dem Arbeitsmarkt aus als neue eintreten. Dieser ist vielfältig und benötigt Arbeitskräfte, die sowohl akademisch als auch beruflich ausgebildet sind. Diese Entwicklung gefährdet den Wohlstand und die sozialen Sicherungssysteme. Es kann nur das verteilt werden, was zuvor erwirtschaftet wurde. Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, Fachkräftepotenziale nicht zu nutzen.
Wir setzen weiterhin auf den Grundgedanken der Sozialen Marktwirtschaft „Sozial ist, was Arbeit mit fairen Löhnen schafft“. Dabei ist es uns wichtig, dass sich Arbeit lohnen muss. Das Lohnabstandsgebot muss deutlich eingehalten werden. Wir stehen zum Leistungsprinzip. Die vorhandenen Sicherungssysteme sind eine wichtige soziale Errungenschaft, aber nicht für einen dauerhaften Verbleib in diesen konzipiert. Das Ziel muss die Erwerbsbetätigung möglichst aller bleiben.
Fachkräfteengpässen ist auf mehreren Ebenen und über die gesamte Qualifizierungszeit von Menschen zu begegnen. Wir fordern einen ganzheitlichen Ansatz, um Schulabgänge ohne Abschluss zu reduzieren, Ausbildungsabbrüche sowie Studienabbrüche zu verringern, den Anteil von Frauen und von Menschen über 55 Jahren bei der Erwerbsbeteiligung zu erhöhen sowie die Aus- und Weiterbildung voranzutreiben. Zudem benötigt die Wirtschaft die Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Wir wollen die Potenziale in allen Zielgruppen des Arbeitsmarkts heben, innerhalb dieser Gruppen die Arbeitszeitvolumen ausschöpfen, den Wechsel von Teilzeit in Vollzeit vereinfachen und Anreize schaffen, dass Beschäftigte nach Beginn des Renteneintrittsalters dem Arbeitsmarkt freiwillig länger zur Verfügung stehen.
Nachwuchsgewinnung und Mitarbeiterbindung sind strategische Unternehmensziele – auch in Kleinbetrieben. Alle Unternehmen müssen ein Interesse an der Zufriedenheit und Weiterentwicklung ihrer Beschäftigten haben. Wir sehen, dass immer mehr Unternehmen dieser Verantwortung gerecht werden wollen.
Für uns als CDU-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen ist die Sicherung des Fachkräftebedarfs eine der größten Zukunftsaufgaben. Wir wollen unser Land zum Berufsbildungsland Nummer 1 machen. Es ist Zeit für eine echte Gleichwertigkeit von
beruflicher und akademischer Bildung. Wir wollen dies gesetzlich regeln. Wir brauchen wieder mehr junge Menschen, die sich Ausbildungsberufen widmen und diesen Karriereweg einschlagen.
Berufsorientierung, berufliche Bildung und duale Ausbildung
Deutschlands Bildungsmix aus beruflichen und akademischen Fachkräften ist Garant des wirtschaftlichen Erfolgs. Diese Stärke werden wir unterstützen und ausbauen. Wir denken berufliche und akademische Bildung gemeinsam – sie bleiben für uns gleichwertig. Ein gegeneinander Ausspielen wird es mit uns nicht geben. Viel stärker muss die Durchlässigkeit unseres Bildungssystem in den Vordergrund gestellt werden.
Die Fachkräftegewinnung muss bereits in der Schule starten. Alle allgemeinbildenden Schulen müssen die Ausbildungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler sicherstellen, dazu gehört vor allem die Vermittlung von Kernkompetenzen. Wir werden Schulen und Lehrkräfte entsprechend unterstützen.
Wir fordern eine gezielte und ergebnisoffene Berufsorientierung an allen Schulen, die unterschiedliche Karrierewege und die guten Verdienstmöglichkeiten abseits der akademischen Ausbildung aufzeigt. Da die Abiturientenquote zunimmt, gilt dies ausdrücklich für alle Schülerinnen und Schüler. Es ist festzustellen, dass die steigende Akademisierungsquote das System der beruflichen Bildung unter Druck setzt.
Wer einen Abschluss der Sekundarstufe I hat und dazu eine abgeschlossene Berufsausbildung, kann im Rahmen der Fachlichkeit an einer Fachhochschule studieren. Diese Karriere- und Entwicklungschancen wollen wir sichtbarer machen.
Wir werden das Übergangssystem Schule-Beruf mit seinem Herzstück „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) so weiterentwickeln, dass Jugendliche und junge Erwachsene schon in der Schule von den Vorteilen einer dualen Ausbildung überzeugt werden. Hierzu gehört, dass die Berufsorientierung möglichst früh ansetzen muss. Dabei werden wir gerade die Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf stärker in den Fokus nehmen.
Wir wollen bereits in der Sekundarstufe I eine altersangemessene umfassende Berufsinformation unter Einbeziehung der Eltern, Praxisabschnitte und längere Praktika. Das Ziel ist eine bessere Verzahnung mit potenziellen Arbeitgebern in allen Schulformen. Ausbildungsbotschafterinnen und -botschaftern sollen an allen Schulen über ihre Erfahrungen berichten und für die berufliche Bildung werben. Wir wollen Schülerinnen und Schüler motivieren, freiwillige Praktikumsmöglichkeiten zu nutzen.
Wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler ihre handwerklich-technische Fähigkeiten entdecken und diese fördern. Um Schülerinnen und Schüler im Schulalltag praktische Erfahrungen zu ermöglichen und sie für das Handwerk zu begeistern, wollen wir einen „Tag des Handwerks“ ins Leben rufen.
Der Offene Ganztag hat das Potenzial, spielerisch die Freude an Handwerk und Technik zu wecken. Frühzeitig können Grundkompetenzen als Arbeitsgemeinschaften (AG) und im Ganztagsbereich in Kooperation mit der lokalen Wirtschaft vertieft werden. Schulkooperationen sind in diesem Bereich zu fördern. Dies gilt in gleicher Weise für die Kindertagesstätten. Wir streben daher eine Zertifizierung für Einrichtungen an, die mit Betrieben vor Ort kooperieren, damit Kinder Einblicke in ausgewählte handwerkliche und technische Berufe erhalten.
Auch die außerschulische Bildung wollen wir stärker einbinden. Im Rahmen der Gemeinschaftsoffensive „Zukunft durch Innovation.NRW“ bekommen Kinder und Jugendliche die Gelegenheit, an außerschulischen Lernorten neue Themen und Talente im MINT-Bereich zu entdecken. Mit über 5.000 Partnerschaften aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Schule, Politik und Gesellschaft unterstützen wir, dass sich mehr junge Menschen für eine Ausbildung oder ein Studium im MINT-Bereich interessieren und Unternehmen Zugang zu Nachwuchskräften erhalten. Dies werden wir ausbauen.
Da Eltern eine große Rolle bei der individuellen Entscheidung junger Menschen über ihre berufliche Zukunft haben, wollen wir sie stärker in den Prozess der Berufsorientierung einbeziehen, z. B. indem sie adäquat über die Ergebnisse der Potenzialanalyse der Kinder informiert werden. Darüber hinaus werden wir die Lehrkräfte verstärkt für das Thema Berufsorientierung sensibilisieren. Die Bedeutung der beruflichen Bildung ist bereits im Lehramtsstudium zu vermitteln.
Für eine starke berufliche Bildung braucht es eine engere Kooperation der Berufskollegs mit Schulen der Sekundarstufe I. Wir wollen daher die Übergänge zwischen den Schulformen und die Durchlässigkeit verbessern, je nach Entwicklung und Bedarf des Kindes. Zwischen den Berufskollegs und den Betrieben vor Ort besteht häufig ein guter Austausch. Für uns bleibt es primär die Aufgabe der Betriebe, auf die Schulen vor Ort zuzugehen.
Bereits an den Schulen wollen wir Gründer- und Verantwortungskultur wecken. Das Schulfach Wirtschaft/Politik ist für uns ein Ankerfach für Berufsorientierung und Berufsvorbereitung.
Schülerinnen und Schüler sollen weiterhin von ihren Schulen unterstützt werden. Insbesondere diejenigen, deren Abschluss gefährdet ist, haben wir hierbei im Blick. Multiprofessionelle Teams leisten einen wertvollen Beitrag. Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler ein Angebot für regelmäßige Feedback- und Bestärkungsgespräche bekommen.
Dabei sollen auch neue digitale Formate genutzt werden.
Für Jugendliche, die die Schule ohne Abschluss verlassen, muss ein unmittelbarer Anschluss gegeben sein, um das Nachholen von Schulabschlüssen zu ermöglichen und die Ausbildungsfähigkeit herzustellen. Die Schulen können bereits zu diesem Zweck frühzeitig mit der Bundesagentur für Arbeit kooperieren. Diese Möglichkeiten werden wir sichtbarer machen. Zudem werden wir prüfen, inwieweit datenschutzrechtliche Barrieren beseitigt werden können. Wir wollen zudem die Programme der Landesregierung, die Jugendlichen mit Unterstützungsbedarf helfen, einen Ausbildungsplatz zu finden, ausbauen.
Wir unterstützen und bewerben Bildungsgänge, die eine Berufsausbildung mit dem Erwerb der Fachhochschulreife oder der Hochschulreife kombinieren. Das Berufsabitur verleiht dem Ausbildungssystem zusätzliche Attraktivität und trägt dazu bei, dass die Ausbildung bereits in der Oberstufe als eine gleichwertige Alternative zum Studium wahrgenommen wird.
Ausbildung muss attraktiver werden.
Wir werden uns beim Bund dafür einsetzen, dass die Ausbildungsvergütung steuerfrei wird.
Wir wollen, dass Schulabgänger mit Abitur aufgrund ihrer um drei Jahre längeren Schulausbildung in der Regel eine um ein Jahr verkürzte Ausbildung machen.
Es gibt bereits zahlreiche duale und triale Studiengänge für junge Menschen mit Fachhochschul- und allgemeiner Hochschulreife. Hier liegen individuelle Karrierechancen. Diese wollen wir verstärkt bewerben und gemeinsam mit der Wirtschaft vor Ort ausbauen. So können wir bedarfsgerecht ausbilden. Junge Menschen mit einer entsprechenden Qualifizierung aus der beruflichen Bildung oder aus dem akademischen Bereich sind gleichermaßen eine Bereicherung für den Mittelstand.
Wir wollen Best-Practice-Beispiele zum digitalen Matching von Ausbildungsplätzen und Bewerbern auf Nordrhein-Westfalen übertragen. Dadurch können wir Jugendliche bei ihrer Berufswahl und dem Auffinden der passenden Ausbildungsstelle unterstützen. Eine zeitgemäße zielgruppenadäquate Kommunikation über Apps ist unerlässlich.
Wohnheimplätze werden für Auszubildende immer wichtiger. Deshalb fördern wir – analog zu den Studierenden – Wohnheimplätze für Auszubildende. Die Wirtschaft wird dazu einen Beitrag zu leisten haben.
Wir wollen kleinere Fachklassen im Rahmen der beruflichen Bildung erhalten. Das dient sowohl einer möglichst wohnortnahen Beschulung als auch der Sicherung homogener Lerngruppen. Gleichzeitig wollen wir die Betreuungsrelation mit Fachlehrern verbessern. Schulische Angebote müssen auch für Splitterberufe in Nordrhein-Westfalen bestehen bleiben. Wir werden entsprechend die Vorgaben der Schüler-Lehrer-Relation überprüfen und zusätzliche Personalressourcen zur Verfügung stellen.
Um einen Beitrag zur Gleichwertigkeit der beruflichen und akademischen Ausbildung zu leisten, wollen wir eine Meisterprämie von bis zu 3.000 Euro einführen und somit die Gebührenfreiheit der Meisterausbildung herstellen. Damit das Gründen für
Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeister noch einfacher wird, wollen wir die
Meistergründungsprämie attraktiver ausgestalten, indem die Mindestinvestitionssumme abgesenkt und die maximale Fördersumme erhöht wird.
Wer nach der Ausbildung eine berufliche Fortbildung zur Meisterprüfung oder zu anderen Qualifikationen auf sich nimmt, ist darauf angewiesen, dass die BAföG-Förderung schnell und unkompliziert gewährt wird. Ziel muss es sein, dass eine zuständige Bezirksregierung über den Antrag innerhalb eines Monats entscheiden kann und damit die Bearbeitungszeiträume verkürzt werden.
Die überbetriebliche Ausbildung dient der Vermittlung und Vertiefung von Ausbildungsinhalten, die der eigene Ausbildungsbetrieb aus verschiedenen Gründen nicht anbieten kann. Wir werden die Drittelfinanzierung für die überbetriebliche Ausbildung dauerhaft in Handwerk und Industrie sichern.
Die Transformation der Wirtschaft führt zu einer Reihe neuer Anforderungen in bestehenden Berufsbildern und erfordert neue. Wir wollen gemeinsam mit den Kammern Berufsbilder überprüfen und ggf. anpassen und reduzieren. In diesem Zuge setzen wir uns für eine praxistaugliche Stärkung der modularen Ausbildung ein. Durch eine Bündelung artverwandter Ausbildungsbestandteile können wir sowohl das System der beruflichen Bildung als auch den Einsatz der Auszubildenden in den Betrieben flexibilisieren.
Wir wollen, dass das Land gemeinsam mit dem Bund ein zukunftsweisendes Paket zur Modernisierung von Berufsschulen und beruflichen Bildungszentren schnürt. Neben der finanziellen Unterstützung bei der Modernisierung der Ausstattung und der infrastrukturellen Anbindung wollen wir die Berufskollegs personell stärken und noch stärker auf die duale Ausbildung ausrichten.
Weiterbildung und Qualifizierung
Es gibt in Nordrhein-Westfalen eine große Anzahl potenzieller Fachkräfte. Sie müssen jedoch mobilisiert werden. Schlüssel dafür sind u. a. Qualifikation und Weiterbildung. In einer sich wandelnden Arbeitswelt mit vielfältigen neuen Bedarfen und Herausforderungen werden wir die Erwerbstätigen und Erwerbsfähigen unterstützen, ihre Kompetenzen zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Viele Ungelernte arbeiten oft jahrelang, ohne dass ihre Arbeitserfahrungen zertifiziert werden. Wir wollen daher einheitliche Kompetenzfeststellungen in Zusammenhang mit Nachqualifizierungen schaffen, auch online. Schrittweise streben wir dadurch einen vollwertigen Berufsabschluss an. Standardisierte Kompetenzfeststellungsverfahren, in denen die Kammern bereits informell erworbene berufsbezogene Kompetenzen sinnvoll feststellen und arbeitsmarktgängig bescheinigen, können dabei unterstützend eingesetzt werden.
Gemeinwohlorientierte Weiterbildungseinrichtungen bieten mit ihren Angeboten zur Grundbildung und zum Nachholen eines Schulabschlusses einen wichtigen Baustein, damit aus Arbeitskräften Fachkräfte werden. Wir werden sie in ihren Aufgaben weiter stärken.
Das Hochschulgesetz NRW ermöglicht bereits die Anrechnung von betrieblicher und akademischer Bildung. Gemeinsam mit den Hochschulen wollen wir sicherstellen, dass die bestehenden Möglichkeiten besser genutzt werden.
Um Studienabbrüche zu vermeiden, wollen wir eine Vernetzung vorhandener Beratungsstrukturen zur verbesserten Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung sowie Auf- bzw. Ausbau einschlägiger Angebote bei Zweifel und Ausstieg fördern. Wir prüfen die Möglichkeit einer verpflichtenden Beratung bei einem zu erwartenden Studienabbruch. Tritt dieser ein, möchten wir die Beratung und Vermittlung in ein duales Studium oder eine Berufsausbildung intensivieren. Dabei ist ein enger Austausch mit den Arbeitsagenturen und Kammern zu gewährleisten.
Es ist im Interesse der Gesellschaft, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rentenalter freiwillig länger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Hierfür müssen Anreize – z. B. finanzielle, steuerliche, betriebsinterne – geschaffen werden. Wir fordern die Landesregierung auf, sich entsprechend auf Bundesebene zu positionieren und im Land in einen engen Dialog mit den Sozialpartnern einzutreten. Die Betriebe können ihrerseits mit präventivem Gesundheitsschutz einen wichtigen Beitrag leisten, die Arbeitskraft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten.
Wir wollen in mehreren Teilschritten über Teilqualifikationen den Weg zu einer
vollqualifizierenden Berufsabschlussprüfung ermöglichen. Mit einem landesweit
strukturbildenden Modellprojekt wollen wir bestehende Ansätze in der Breite nutzbar machen, um Menschen auf das erforderliche Fachkraftniveau (um-) zu qualifizieren. Dies gilt in besonderem Maße für ausländische Fachkräfte.
Qualifizierte Integration in den Arbeitsmarkt
Unsere Volkswirtschaft ist auf ausländische Arbeits- und Fachkräfte angewiesen. Wir stehen in einem Wettbewerb mit anderen Regionen. Wir fordern daher den Ausbau eines professionellen Recruitings im Ausland, nicht nur für Engpassberufe. Wir wollen dafür Arbeitgeber, Kammern und Verbände miteinander vernetzen. Recruiting und Vernetzung sollen zentral in der Landesregierung gebündelt werden.
Wir brauchen ausländische Fachkräfte und Nachwuchskräfte mit herausragender Leistungsfähigkeit, denen in sogenannten One-Stop-Agencies schnell und unbürokratisch und vor der Einreise eine Arbeitserlaubnis erteilt wird. In der Heimat erworbene Ausbildungen müssen bei uns unbürokratischer und schneller anerkannt werden; das gilt auch für die geregelten Berufe. Wir stellen dabei berufsspezifische deutsche Standards nicht infrage.
Eine besondere Chance erkennen wir in der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die ein Grundpfeiler der Europäischen Union ist. Wir denken den Arbeitsmarkt europäisch. Deutschland kann jungen Menschen aus anderen EU-Ländern sowohl bei der Ausbildung als auch für ihre Berufstätigkeit Chancen eröffnen, die ihnen ihr Heimatland unter Umständen nicht bieten kann. Wir wollen gemeinsam mit der Wirtschaft Programme schaffen und vertiefen, die insbesondere junge Menschen zu beruflicher Mobilität innerhalb der EU motivieren. Besonders im Fokus müssen dabei qualifizierte Ausbildungsberufe stehen, die – anders als akademische Studiengänge – bei internationalen Austauschaktivitäten noch unterrepräsentiert sind.
Unsere Wirtschaft braucht in gleicher Weise Arbeitskräfte in Bereichen, die nicht zwingend eine akademische Qualifikation erfordern. Wenn Interessenten dafür Sprachkenntnisse nachweisen können und die Bereitschaft zur Integration mitbringen, möchten wir ihnen einen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Wer sich bewährt, soll die Möglichkeit einer Weiterqualifizierung und damit zu sozialem Aufstieg erhalten.
Wir gehen davon aus, dass Menschen, die zu uns kommen, ein Eigeninteresse an einer beruflichen Tätigkeit haben. Die Partizipation am Arbeitsmarkt ist zusammen mit dem Erlernen der deutschen Sprache der beste Weg für eine gelingende Integration.
Es gibt viele Menschen in Nordrhein-Westfalen, die als Flüchtlinge zu uns gekommen sind, deren Asylantrag negativ beschieden wurde, die aber dennoch gut integriert sind und deren Arbeitskraft gebraucht wird. Wenn diese vor dem Stichtag 1. August 2022 in Deutschland registriert wurden, nicht straffällig geworden sind, ihren Lebensunterhalt ohne Sozialleistungen bestreiten, qualifizierte Sprachkenntnisse nachweisen und ihnen ein fester Arbeitsvertrag angeboten wird, möchten wir ihnen eine dauerhafte Arbeitserlaubnis ermöglichen.
Wer langfristig in Deutschland bleiben möchte, soll mit seinen Fähigkeiten in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wir fordern eine klar strukturierte Berufsorientierung zeitnah nach der Ankunft in Deutschland. Diese soll sich an den vorhandenen Kompetenzen orientieren. Dies schließt unter Umständen notwendige Anpassungsqualifizierungen mit ein. Bereits in den Landeseinrichtungen sollen zukünftig Daten erhoben werden, mit denen Flüchtlinge in eine passende Tätigkeit in der aufnehmenden Kommune vermittelt werden können. Eine Bewährung in der Berufsorientierung soll zu einer beschleunigten Arbeitserlaubnis führen.
Für uns bleiben die deutsche Sprache und der Wille zur Integration die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration. Mangelnde Sprachkenntnisse sind ein Hemmnis auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb fordern wir die Entwicklung spezieller berufsspezifischer Sprachkurse. Die Bedürfnisse der Wirtschaft sind dabei zu berücksichtigen.
Die Teilnahme am Arbeitsmarkt setzt für uns die Bereitschaft voraus, die Werte des Grundgesetzes zu leben und Teil unserer Gesellschaft sein zu wollen. Deshalb bleibt es Aufgabe des Staates, Aufenthaltskriterien zu formulieren, einzufordern, zu überprüfen und die daraus resultierenden Konsequenzen zu ziehen.
Die 3+2 Regelung ermöglicht einer geduldeten Person einen gesicherten Aufenthaltsstatus für die Zeit einer Ausbildung (meist drei Jahre) und im Anschluss für weitere zwei Jahre, um in dem gelernten Beruf tätig zu sein. Inzwischen laufen die ersten dieser Duldungen ab. Für diese Fälle wollen wir einen nahtlosen Übergang in einen dauerhaften Aufenthaltsstatus und so eine Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Dies muss einheitlich in allen Städten und Kommunen des Landes erfolgen.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Qualifizierung
Für uns dient die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht allein dem Arbeitsmarkt, sondern soll die Entscheidung junger Menschen für eine Familiengründung bestärken. Für uns bleibt die Wahlfreiheit im Fokus. Mütter und Väter sollen sich für den Beruf genauso wie für Kindererziehung entscheiden können. Dafür schaffen wir die Rahmenbedingungen.
Familie ist ein gesellschaftlicher Wert. Wer sich für diese entscheidet, darf keine beruflichen Nachteile haben. Wir wollen die Berufstätigkeit beider Elternteile ermöglichen und leisten so einen Beitrag zur Gleichstellung. Die Möglichkeit, eine Berufsausbildung in Teilzeit absolvieren zu können, kommt familiären Bedürfnissen entgegen. Wir wollen für die Intensivierung solcher Angebote sorgen.
Eine gute Infrastruktur in der Kinderbetreuung ermöglicht es Eltern, berufstätig zu sein.
Für eine Berufstätigkeit der Eltern kann eine flexible Betreuung in Randzeiten wichtig sein. Diese ist mit den Beteiligten abzustimmen, da die Bedarfe vor Ort unterschiedlich sind. Wir empfehlen entsprechende Kooperationen zwischen den Trägern und den Betrieben.
Ein Ausbau der Betreuungskapazitäten braucht Personal. Deshalb entlasten wir pädagogische Fachkräfte durch den Einsatz von Alltagshelferinnen und Alltagshelfern und haben in den vergangenen fünf Jahren 25.000 zusätzliche Ausbildungsplätze für Erzieherinnen und Erzieher geschaffen. Zur weiteren Entlastung werden wir neue Zugangswege für Quereinsteiger ermöglichen. Wir wollen pädagogische Berufe gleichermaßen für Frauen und Männer attraktiv machen.
Der hohe zeitliche Einsatz für die Pflege von Angehörigen wirkt sich oft negativ auf die Karrierechancen aus. Das betrifft meist Frauen. Wir wollen eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Da die pflegenden Angehörigen das staatliche Gesundheitssystem maßgeblich entlasten, werden wir uns beim Bund dafür einsetzen, dass die häusliche Pflege stärker bei der Rente berücksichtigt wird.